Mercedes Benz E63 AMG S Testbericht

Unser Mitglied Peter ist in den Genuss gekommen, einen E63 AMG S probe zu fahren und hat uns hierzu einen sehr ausführlichen Testbericht zusammen geschrieben.

Angekommen in Augsburg steht er da… Ein 2014er Mercedes-Benz E63 AMG in der S Version. Diese Schönheit in Perlmutt-Weiß steht da, wie einst Marilyn Monroe mit scharfen Blick…. „Happy Birthday…… Mr. President…..“. Oh ja… der Hobel würde Mr. President gefallen und man fühlt sich auch gleich ein wenig wie Mr. President. Bietet er doch ein durchaus aufregendes Äußeres gepaart mit einem standhaften 5.5l Bi-Turbo V8 Motor und einem äußerst robusten MCT+ 7Gang Getriebe, der auf dem Papier keine Wünsche offen lässt. 585PS und 800NM hämmert das Triebwerk über 4 angetriebene Räder in den Asphalt.

EXTERIOR:

Das Facelift der W212 Baureihe hat dem Benz durchaus gut getan. Die neu gestalteten Scheinwerfer, welche seit der W124 Baureihe endlich wieder aus einem Scheinwerfer bestehen, behalten die 2-Lichter-Optik auf Grund des LED Tagfahrlichts bei. Wie ich finde eine äußerst hübsche Lösung. Natürlich bietet auch die übrige Lichttechnik alles in moderner LED Ausführung. Des Weiteren sind mit dem Facelift die hinteren Ponton-Hüftschwung Radläufe verschwunden. Über diesen Punkt mag man sich streiten. Mir gefällt er so besser, andere vermissen diesen Schwung.

Das Haifisch-maul unter dem großen Mercedesstern, hinter dem das Radarsystem der Distronic Plus sitzt und somit genial versteckt ist im Vergleich zu Radarsystemen von z.B. Audi, gibt dem W212 eine deutlich aggressivere Optik im Vergleich zum Vorfacelift. Es will einem klar sagen: „Hier kommt der Autobahn-Chef und egal was vor mir fährt…. schleich dich schnell eine Spur weiter nach rechts.“ ….und wenn dann der Vordermann gewichen ist, sieht er dann im Augenwinkel (zumindest wenn er gute und schnelle Augen hat) das V8 Biturbo Logo am AMG breiteren Kotflügel vorbeizischen.

Das Finish des Chrom-matten Kühlergrill in AMG Ausführung mit nur einer Leiste im Vergleich zu Nicht-AMG Modelle wirkt extrem hochwertig und wirkt nicht kitschig. Nur warum liebe Mercedes Designer führt ihr diese Optik nicht weiter und packt dann in den Kofferraumdeckel eine Chrom-glänzende Leiste? Wo doch die Umrandungen der AMG Endrohre in der Heckschürze auch chrom-matt sind.Na zum Glück lässt sich hier der Folierer sicher was einfallen….

Wo wir schon beim meckern sind: Was in Gottes Namen hat sich Mercedes dabei gedacht unterschiedliche Einparksensoren zu verbauen. Schaffen sie es in der Heckschürze ganze 4 Sensoren so einzusetzen, dass diese dem modernen Standard Genüge tragen und einen bündigen Abschluss mit der Stoßstange schaffen, wirken die seitlich angebrachten Sensoren, sowie die kompletten vorderen Sensoren wie fette Pickel mit einem umlaufenden Eitergeschwür. Als hätte Mercedes nach der Fertigstellung des Wagens bemerkt: “ Oh… da haben wir doch glatt die Sensoren vergessen… kein Problem… Schnell zum Autozubehör-Laden rennen und paar Sensoren holen, Bohrer auspacken und die Dinger dort reinspaxen.“ Das kann BMW, Audi, ja ich möchte sagen.. Das kann einfach fast jeder besser. Die Poliermaschinen freuen sich schon dort jedes mal hängen zu bleiben…

Meckern wir noch ein wenig weiter… Spaltmaß zwischen Motorhaube und Stoßstange… Hmmmm… Habt ihr da Maß beim Grand Canyon genommen? Hätte man das nicht ein klein wenig enger gestalten können? Jetzt verstehe ich, warum bei Speed-Events wie Drag Unlimited 500 die Autos Klebeband an diesen Stellen benutzen. Da finden die Stollen der National-Elf Schuhe Platz….. tz tz tz tz tz tz….

Ja was soll ich sagen.. Auch Mercedes kann nicht das perfekte Auto bauen, aber verdammt nah dran sind sie… Verglichen mit dem M5 empfinde ich den E63 AMG deutlich sportlicher, erhabener, ja was soll ich sagen… Einfach in meinen Augen das deutlich hübschere Auto.

INTERIEUR:

Öffnen wir die Tür dieses Boliden, begrüßt uns ein leuchtender Schriftzug im Einstiegsbereich und lädt uns förmlich ein darin Platz zu nehmen. Da lassen wir uns doch nicht lange bitten.

Im es mal gleich auf einen Punkt zu bringen: Typisch Mercedes !! Alles ist an gewohnten Plätzen, wie auch die Fußhandbremse, die manche von uns auch noch aus den 80ern kennen, hat sich kein bisschen verändert. Wo beim M3/M4 eine klassische Handbremse die Vorzüge eines sportlichen Fahrzeugs wiederspiegelt, bietet der Benz die Vorzüge des gemütlichen reisen. Es kommt in diesem Auto auch nicht nur ansatzweise der Gedanke auf, da müsste eine Handbremse zum driften vorhanden sein.

Das Armaturenbrett bietet einen abgenähten leder-ähnlichen Artico Bezug, der eine hochwertige Optik bietet, allerdings ein klein wenig weicher ausfallen könnte. Im Zeitalter in dem Navigations-Displays nicht mehr integriert werden, sondern wie 99,- Euro tragbare Navigeräte ausschauen (ja leider auch bei Mercedes), freut es einem ein ins Armaturenbrett integriertes Navi vorzufinden, auch wenn dieses nach heutigem Standard etwas zu klein ausfällt. Da hätte es der Modelpflege gut getan dies etwas zu modernisieren. Womit wir auch klar beim größten Manko des E63 Innenraum ankommen.

Das GUI des W212 ist Steinzeit. Das brauchen wir auch nicht schönreden, denn es wäre sinnlos. Hier hat Mercedes extrem geschlafen, wenn wir das mit BMW vergleichen. Schon 2009 hat BMW mit dem Einzug des CIC Systems das Mercedes System um Lichtjahre überholt. Mit dem Einzug von NBT ist BMW in andere Galaxien davongedüst. Um dem Mercedes Infotainment noch etwas positives abzugewinnen, kann man die gute Sprachsteuerung erwähnen, welche einfache Befehle ohne großen Nachfragen schell und zuverlässig ausführt. Auch die Freisprecheinrichtung bietet einen hohen Sprachkomfort. Bei der Connectivity schaut es schon wieder anders aus. Der Interface Anschluss in der Armlehne der Mittelkonsole bietet einen Anschluss bis zum iPhone 4. Ja ihr habt euch nicht verlesen…. Mercedes….. das kann man nicht mehr verschlafen nennen.. Das ist ein Wach-Koma…. Na zum Glück sind sie was das angeht bei der neuen E-Klasse aufgewacht, auch wenn meiner Meinung nach der Designer von außen dafür ins Wach-Koma gefallen ist, in dem er ein Auto designed, das von einer C-Klasse kaum zu unterscheiden ist. Aber das ist ein Thema für einen anderen Test.

Ansonsten bietet der Innenraum sehr viel Komfort und Luxusausstattung, die kaum Wünsche offen lassen. Eine Sitzbelüftung (optionale Ausstattung) wie in diesem Fahrzeug, bietet einen enormes Plus an Reisekomfort an heißen Tagen. Auch die Multikontursitze lassen sich wirklich auf jede Statur einstellen. Sollte das Fahrzeug sogar Aktive-Multikontursitze haben, pumpen sich die Seitenwangen in Sekundenbruchteilen in Kurven auf und bieten einen großartigen Seitenhalt, der auf langer Strecke dann den Komfortfaktor nicht verringert. Selbstverständlich reden wir hier nicht über Seitenhalt von Rennsitzen, aber wir dürfen nicht vergessen in welchem Fahrzeug wir uns befinden. Platz im Übermaß für Fahrer und Passagiere im Fond. Ich als Fahrer hatte massig Platz und mein Kollege auf dem Rücksitz meinte, ich kann noch nen guten halben Meter zurück. Wollen wir doch endlich mal fahren würde ich sagen….

ANTRIEB:

Wir befinden uns in einem Fahrzeug mit Keyless Go, also kurz die Bremse gedrückt und aufs Knöpfchen gedrückt und der 5.5l Biturbo erwacht zum leben. Mit einem kräftigen Gas-Stoß sagt uns der E63 „HALLO…!!“ und blubbert dann ganz dezent vor sich hin. Also legen wir doch mal am Schaltknauf die Fahrstufe D ein. Schön, dass die AMG Modelle den Schaltknauf noch auf der Mittelkonsole haben und nicht wie die NICHT-AMG Modelle am Lenkrad. Auch der Schaltknauf selber ist klein gehalten und meiner Meinung nach perfekt, denn man braucht ihn ja nicht wirklich oft.

Also rollen wir mal los. OH DEAR….. Das ist geil. Es kommt einem so vor als würde Morgan Freeman seine basslastige Stimme erheben und uns sagen: „…und nun lade ich sie ein, auf eine Tour durch die unendlichen V8-Welten des Affalterbach Universum“. Wie haben sie das geschafft, einem aufgeladenen Motor so eine Klangkulisse anzueignen. Verglichen mit dem M5 sind wir im AMG E63 in einer ganz anderen klanglichen Welt. Ein leichter Gaßstoß und der tief, tiefer, am tiefsten klingende V8 bollert samtweich los. Kein Doppelkupplungs-ähnliches hartes Anfahren…. nichts…. Wie von alleine. Der Komfortfaktor ist ganz klar die Stärke des Antriebs. Man gleitet erhaben im Verkehr mit und hat gar nicht das Verlangen jemals einen Kickdown nutzen zu wollen, warum auch… 800NM brauchen keinen Kickdown. Im 2. Gang wird angefahren und für den Rest braucht man quasi nur noch den 7. Gang. Im C-Modus wird dieser auch schnell erreicht und was andere Autos als Standgas nutzen ist hier ausreichend um im fließenden Verkehr ganz locker mitzuschwimmen.

Die adaptiven Dämpferkennlinen bieten im Comfortmodus wirklich ein komfortables Fahrgefühl. Bodenwellen werden geschluckt und dennoch wirkt das Auto niemals schwammig. Na gut… Wir haben ein Auto mit knappen 600PS… Wollen wir auch mal die andere Seite des Fahrzeugs kennen lernen. Ab in den Sport Plus Modus… Den Sport überspringen wir jetzt einfach mal. Sofort schaltet der Wagen ein paar Gänge runter, aber nie so, dass er hochtourig durch die Gegend brüllt. Die Gasannehme sehr direkt und kaum mit Reaktionsverlust. Nicht ganz so aggressiv wie der M5, aber nicht weniger kraftvoll. Also los… Kickdown…. Das Getriebe schaltet blitzschnell die Gänge runter und der M157 Motor lässt seine Muskeln spielen. Traktionsverlust…. ? Fehlanzeige. Die 4 Matic bringt ohne jeglichem Quietschen, oder ESP Blinken die Kraft zu 100% auf die Straße und schiebt kräftig nach vorne. Gekrönt von einem V8 Gewitter aus dem Auspuff, wie es schöner nicht sein könnte. Kein schreiender V8… no no.. selbst bei über 6000rpm prägt immer noch Volumen die Klangkulisse. Die Tachonadel schießt wie an der Schnur gezogen auf die Topspeed von 253km/h. Ja der Benz Tacho ist unfassbar genau. Kenne sowas nur von Porsche. Im Vergleich zum M5, der in diesen Geschwindigkeitsregionen schon 13km/h lügt, gefällt mir das beim Benz sehr gut. Dafür läuft der BMW gute 7km/h über die 250km/h Grenze… Aber sind wir mal ehrlich… Als großen Vorteil kann ich das für den BMW nicht geltend machen, denn wirklich lange werden weder beim BMW, noch beim Benz die Sperren drinnen bleiben.

Also mit 253 Richtung nächste Autobahnausfahrt. Die Bremsen verzögern gut, ohne akutem Fading oder ähnlichem. Leider hat der Test nicht dazu gereicht hier an die Grenzen zu gehen und auch in Betracht, dass dieses Fahrzeug Freunden gehört. Demzufolge lasse ich hier ein ausführlichen Bremsentest außen vor. Wirklich „saugeil“ ist das Verhalten des Getriebe. Im Sport Plus Modus schaltet das Getriebe beim abbremsen frühzeitig in den nächstkleineren Gang und quittiert das mit einer ordentlichen Portion Zwischengas. Das macht der M5 leider nicht, obwohl der das sportlichere Auto sein sollte. Auch die Schaltvorgänge sind deutlich angenehmer, aber keines Wegs langsamer. Der Spagat, den die AMG Ingenieure hier geschaffen habe ist nahezu perfekt. Dem sportlich ambitionierten Fahrer mögen die härteren Schaltvorgänge im BMW M vielleicht besser gefallen und mehr Sportlichkeit vermitteln, aber wirklich schneller ist es nicht.

Anders im manuellen Modus. Die Schaltpaddel haben deutlich mehr Zeitverzögerung, als die Fahrzeuge bei BMW oder gar im GT-R. Ich habe im E63 nicht das Verlangen das Fahrzeug per Hand zu schalten, möchte aber eben nochmal erwähnen, dass dies auch nicht nötig ist. Die Automatik schaltet in jedem Modus nahezu perfekt und zum richtigen Zeitpunkt.

Das Kurvenverhalten konnte ich auf Grund der begrenzten Zeit leider auch nicht so ganz gut testen wie gewollt. Ich würde hier aber klar sagen, dass der M5 etwas mehr Direktheit vermittelt im direkten Vergleich. Dafür kann man mit dem Benz mit 4 Matic halt wirklich mit Vollgas aus den Kurven raus. Das Fahrverhalten ist trotz Allrad heckbetont ausgelegt und somit keines falls untersteuernd. Das spiegeln auch die Nordschleifenzeiten des E63 AMG S wieder. Der AMG schlägt den M5 deutlich um einige Sekunden, was man eigentlich kaum glauben mag.

FAZIT:​

Im Duell M5 gegen E63 gibt es für mich keinen klaren Gewinner aus neutraler Sicht. Perfekt wäre der E63 AMG mit dem Infotainment und Head Up aus dem M5, denn das gibt es auch nicht für viel Geld beim AMG.

Aus persönlichen Vorlieben würde ich in diesem Vergleich zu Gunsten des E63 entscheiden. Er bietet für mich den besten Alltagskomfort, den besten Motorsound, das beste Getriebe und die größte Zuverlässigkeit der Antriebstechnik. Diese Punkte sind mir wichtiger als Infotainment und Connectivity.

In Bezug auf Tuning bieten beide Fahrzeuge enormes Potential und beide haben ihre Vorteile und Nachteile. Beim M5 großartig die Turbos obenliegend im V des V8 bieten sehr leichten Zugang für Upgrades und damit schnell Leistungen im Bereich über 800PS. Leider macht das Getriebe hier oftmals nicht mehr ganz mit und verlangt nach Verstärkung die kostet. Beim E63 sind Upgrade Turbos nur mit dem Ausbau des Motors möglich, dafür verkraftet das Getriebe vom Benz spielend 1100 Nm.

Mit keinem von beiden Autos macht man irgendwas falsch, wenn man ein Auto sucht mit viel Platz, viel Dampf, viel Tuningpotential, viel Reisekomfort. Die Entscheidung sind dann eher persönliche Vorlieben

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